Als alter Marketinghase bin ich jahrelang auf den Lehren der Marketingschule gerannt und habe alle möglichen Strategien und Angler-Wurmkonzepte durchexerziert. Eines fehlte mir immer in der Marketingwelt. Der Mensch. Marketing wurde ja von Menschen erfunden. Marketing kommt von Markt und das waren einmal kleine Märkte auf den mittelalterlichen Markplätzen. Es wurde getratscht und feilgeboten, da war Lärm und Musik. Wie gerne schlendern wir heute noch durch Basare, auch wenn in manchen Weltregionen uns gleich übereifrige Powerseller die Touristenrabatte Marketing- und Bedürfnisgerecht um die Ohren hauen. Doch schon ein Spaziergang über einen kleinen schwäbischen Gemüsemarkt macht es deutlich.

Marketing ist Handeln zwischen Menschen. Der Markt ist im Ursprung eine Versorgungsquelle und des sozialen Austausches. Durch die Institutionalisierung des Verkaufens und der Bildung einer eigenen Berufsgruppe hat sich das Marketing abgespalten von seiner sozialen Ausrichtung und auch ein Stück von der Verantwortung als Versorger. Mit der Industrialisierung kam der Druck, mehr Produkte als die Versorgung gerade benötigte in den Markt zu pushen. Wir leben in einem Über-die-Versorgung-hinaus-Angebots-Markt (Wie hieß nochmal das Fachwort dafür?). Der Überhang ist immens und Fluch und Segen gleichermaßen, kein Zweifel.

Für die verkaufende Branche ein immerwährender Druck mehr zu tun um das Zeug von der Halde an Jemanden los zu werden. Es werden alle Register gezogen, die neurolinguistischen Erkenntnisse haben längst in die Verkaufsprozesse Einzug gehalten und kybernetisches Neukundengewinnen hat Hochkonjunktur. Das Ganze hat sich bis zu einem gewissen Grade so pervertiert, da ist es ganz natürlich, dass unsere Urinstinkte hier negativ anschlagen. Nun gibt es inzwischen, durch die neuen psychologischen Erkenntnisse genährt, eine neue pseudoinspirierende Marketingmasche. Denn es nutzt die Werte der Inspiration regelrecht aus.

Seit ungefähr einem Jahr beobachten wir das virale Marketing mit tausenden von Konzepten und so fand sich eine Werbung in unserem E-Mail-Postfach die nach dem Öffnen der entsprechenden Seite, ein Eintragungsformular für einen Newsletter bot. Der Unterschied zum bisherigen roten Pfeil und einer drängenden Videobotschaft. Ein Video mit traumhaftschönen Stränden samt Meeresrauschen und Flüge über die schneebedeckten Berge, füllte mit einem Male in Übergröße den ganzen Monitor. Ein freundliches kleines und forderndes Formular hielt sich verbissen in der Mitte des Monitors fest. Gesteigert wurde das Ganze von einer wunderschönen inspirierender und bester konzertanter Musik. Doch der Hammer war eine ebenfalls gestartete Predigt eines Populär-Esoterikers. Wir kennen diese Speaker als warmherzige, gelassene Sprecher mit sich in die Seele schraubende Stimmen, die auf jede Frage nach dem Sinn des Lebens eine entsprechend warmherzige entwaffnende Antwort parat haben. Ganz vom Inhalt abgesehen, hier wurde äußerst inspirierend ganz profane Infoprodukte für Produkt-Marketing verkauft. Es handelte sich um das Tool selbst, um eine solche bisher Squeeze-Pages genannte Seite, automatisch zu erstellen und die Inspiration in Form von Concertinos, Wellness-Videos und sinnspendenden Sermons (in Englisch) gibt es Gratis dazu.

Inspirieren ist vom lateinischen Spirit, dem Einhauchen von Seele, Leben und Geist durchdrungen und eine urmenschliche Angelegenheit. Schwester der Intuition und Mutter aller Kreativität. Ob es möglich ist Inspiration mit monetären Zielen zu vereinen lasse ich vorerst offen. Besinnen wir uns erst einmal auf die ursprünglichen Aufgaben des Marketings, als der versorgende Teil des Marktes. Kommen wir davon ab, den Wurm als Werkzeug an der Angel des Marketings zu sehen. Nun lassen wir uns inspirieren zum Beispiel vom Spiegeln auf dem Wasser (ich liebe Berge die sich im Wasser spiegeln, aber ich wollte da nie raufkraxeln müssen), lassen uns also treiben, denn inspirieren bedeutet das ich mit die Zeit nehme, etwas eingehaucht zu bekommen. Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie viele Kreativitätsseminare zur Förderung von kreativen Marketing-Kampagnen jeden Tag in Deutschland abgehalten werden und außer Transpiration nichts Neues hervor gebracht haben. Haben Sie schon einmal erlebt wie eine Inspiration Sie mitten bei einer Autofahrt überfallen hat und Sie verzweifelt einen Weg gesucht haben, dass festzuhalten, schlimm dann, kein Zettel, kein Recorder greifbar. Gott sei Dank gibt es heute Smartphone, welche eine Aufnahmefunktion haben.

Für echte Inspiration benötigen Sie Zeit. Zeit ist Geld und jetzt kommt’s, neben mir und hinter mir warten schon andere Angler die begierig sind, mir meinen Anglerplatz streitig zu machen, sobald ich nicht den Anschein erwecke, großes Interesse am aggressiven Fischen zu haben.
Wie können wir trotzdem Inspiration und Marketing zusammenbringen. Vielleicht müssen wir das gar nicht. Wir beobachten gerade die sozialen Netzwerke und deren Entwicklung und wir sehen hier das das Marketing verzweifelt versucht sich einen Platz zu behaupten. Die Facebook Aktien-Anleger glauben es immer noch nicht so recht, dass es gelingen wird, die Aktie dümpelt. Selbst auf XING ist Business-Networking und Werbung streng getrennt und letzeres gerade noch geduldet. Dass sie für Ihre Werbeeinblendungen so viel wie bei einer vergleichbaren Printanzeige in einem Populär-Magazin zu verlangen, kann nur an den geschönten Mediadaten liegen. Doch der soziale Networker egal ob auf Facebook, Netbiz, LinkedIn oder Xing will keine Werbung und schon gar kein inspirierenden Marketing in seinem Profil sehen, er muss es allenfalls dulden.

Hier sehen wir wie die ganze Marketingbranche aufläuft und verzweifelt nach Rezepten sucht. An Interaktions-, Dialog-, Artikel- und interdisziplinär-Marketing wird beständig geschraubt und den „conversions-manager social network“ ist auf dem Weg zum hochbezahlten Beruf.
Wie könnte das alles enden? Werden die Hard-Marketer gewinnen und endgültige Rezepte finden uns doch noch auf sozialen Pfaden zu willigen Käufern zu machen? Ich beschmutze hier bewusst das eigene Nest denn man sollte jede Entwicklung auch als Insider immer wieder hinterfragen.

Ist echtes inspirierendes Marketing eine Richtung ohne sich die Hände schmutzig zu machen? Solange Marketing sich als Teil des Vermarktens sieht wird das wohl nicht gehen. Was können wir also tun. Für mich echt inspirierend sind echte authentische Menschen. Auf dem schwäbischen Markt streckte mir ein älterer Bauer einen Apfel entgegen und sagte im Originalton: „Gucket se mal, der isch schee rot, was sagte see dozua, den hon i selbar rakohlt vn moine Böim. Oinzeln verlääse, do isch koin foulr dbei.“ Der Mann war voll überzeugt von seiner Qualität und ließ nichts darauf kommen und so konnte er auch aus ganzer Seele, seinem Leben und seinem Geist Handel betreiben.

Das war inspirierend. Es machte mir deutlich Inspiration braucht immer Authentizität. Wie aber kann ein institutionalisiertes Marketing authentisch werden? Gar nicht, es hängt wieder einmal von uns einzeln ab. Einzelne die den Focus weg vom Produkt und hin zum Menschen nehmen. Braucht es dazu inspirierendes oder authentisches Marketing. Vielleicht ist es mehr eine Art authentischer Positionierung. Was meinen Sie?

Mit den besten Wünschen aus Tübingen
Matthias Kletzsch
Ihr SilverCoach